Warum sollte gerade jetzt über reproduktive Gerechtigkeit gesprochen werden?

Die BRD trägt eine lange Geschichte der gewaltförmigen Unterdrückung im Zusammenhang mit Reproduktion mit sich, die sich vom deutschen Kolonialismus über den Nationalsozialismus und die Nachkriegszeit zieht. In unserer Gegenwart erleben wir durch (neu)rechte Bewegungen und die rechtspopulistische Partei AfD eine erstarkte Präsenz von Inhalten, die Aufrufe zu einer aktiv selektiven Bevölkerungspolitik darstellen. Ein Beispiel dafür ist die Anfrage der AfD im Bundestag nach dem Zusammenhang von Migration, Verwandtenehe und Schwerbehinderung in Deutschland. Eugenische Anklänge kommen genauso in der mehrheitsgesellschaftlichen „Mitte“ vor, und werden in Zeiten rechtspopulistischer Vorstöße immer stärker normalisiert.

Slogans wie „Mehr Kinder statt Masseneinwanderung“ oder „Neue Deutsche machen wir selber“, antifeministische Mobilisierungen durch die sogenannten „LebensschützerInnen“, der fortschreitenden Abbau des Sozialstaates – diese und weitere Angriffe auf die reproduktive, körperliche und sexuelle Selbstbestimmung belasten insbesondere (mehrfach)diskriminierte Communities und Menschen, deren Ressourcen innerhalb der herrschenden Machtverhältnisse sowieso knapp bemessen sind.

Diesen Angriffen wollen wir eigene Utopien und Forderungen von Gerechtigkeit und einem guten Leben entgegen setzen. Reproduktive Gerechtigkeit heißt auch zu feiern, dass es schon immer Widerstand gab, auch wenn nicht alle alltäglichen Widerstandsformen an einem Zeitstrahl aufzeigbar sind. Es heißt Ressourcen zu schaffen für communities, an denen auch ein deutscher Mainstream-Feminismus vorbeidiskutiert, und bestehende Ressourcen miteinander zu vernetzen. Es heißt neu zu verhandeln, welche Prioritäten wir setzten müssen, wenn unsere Bewegungen auch für Menschen relevant sein sollen, die eine solche akademisch formulierte Webseite nicht lesen werden.

Warum sollte jetzt kein guter Zeitpunkt dafür sein?

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